Anlässlich des 73./74. Landesparteitags der FDP NRW am Samstag, 24. April 2021:
Was ist eigentlich die Lektion, die Sie als Familienminister aus der SARS-CoV-2-Pandemie in unserem Land gelernt haben?
Der Vorsitzende des Deutschen Kitaverbandes in NRW, Klaus Bremen, wendet sich anlässlich des Landesparteitags der FDP NRW in einem offenen Brief an den FDP- Landesvorsitzenden und Familienminister
Sehr geehrter Herr Dr. Stamp,
als Vorsitzender der FDP NRW sind Sie zugleich Familien-Minister und damit auch für die Kita-Versorgung in unserem Land zuständig.
Zwei Tage, bevor Kitas in Nordrhein-Westfalen erneut in den Notbetrieb gehen müssen und zwei Tage, bevor die betroffenen Eltern erneut die Betreuung der Kinder organisieren und improvisieren müssen, diskutieren Sie auf einem Sonderparteitag mit Ihrer Partei über NRW als Chancenland.
Die Diskussion wäre jetzt die große Chance, den Eltern und Familien zu sagen, was Sie als Minister und die Landesregierung insgesamt in diesem Jahr aus der SARS-CoV2-Pandemie für die künftige Gestaltung der Kita-Versorgung in NRW gelernt haben.
Nimmt man den Text des Leitantrags auf dem Landesparteitag der FDP, dann scheint es so, als sei nichts zu lernen gewesen.
Lesson learnt? – Stichwort Fachkräfte-Mangel
Zum Beispiel, dass die Pandemie nochmals und mit aller Härte den Fachkräfte-Mangel in unseren Kitas für Mitarbeiter*innen und Eltern ans Licht gebracht hat? Denn es fehlten zwischenzeitlich zusätzlich bis zu 15 Prozent des Personal, weil besonders gefährdete und ältere Mitarbeiter*innen – zum Teil bis heute – ausfielen. Bis heute hat die Gruppe der Erzieher*innen eine der höchsten Arbeitsunfähigkeits-Raten in der Pandemie.
Bereits während bei der Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) 2019/2020 hatten Sie uns als Deutschem Kitaverband in NRW erklärt, dass Ihr Ministerium sich intensiv um die Werbung von neuem Fachpersonal kümmern wird.
In Ihrem eigenen Haus bereits vor der Pandemie entwickelte und differenzierte Vorschläge scheinen wieder in der Schublade verschwunden zu sein. Erst seit einigen Wochen steht eine verhalten wirkende PR-Kampagne auf der Website Ihres Ministeriums.
Und leider wiederholt der Leitantrag auf dem Landesparteitag nur das, was an wenig mutigen Aktionen aus dem Ministerium kommt.
Lesson learnt? – Stichwort Krisenmanagement, Modell „Hinter verschlossenen Türen“
Zum Beispiel, dass das Krisenmanagement in einem abgeschlossenen Zirkel von Kommunen und großen Kita-Trägergruppen zu längerem Notbetrieb der Kitas führte. Das Modell „Hinter verschlossenen Türen“ erweist sich gerade in der Pandemie als wenig geeignet, weil nicht flexibel: Denn alle Kommunen und alle großen Träger beraten bis zum kleinsten gemeinsamen Nenner. Das führt gerade nicht zu bedarfsgerechten Lösungen für Eltern und zu flexiblem Handeln von Kita-Trägern.
Zum Beispiel, dass Sie – als liberaler Minister – der Zentralbeschaffung von Tests und Auslieferung durch Ihr Ministerium zugestimmt haben und im Ergebnis bis heute viele Kitas in NRW – fast zwei Wochen nach der Ankündigung – immer noch über zu wenige oder gar keine Tests verfügen. Dagegen gestellt ein gutes Beispiel aus Niedersachsen: Dort hatten die Kita-Träger die Möglichkeit, Test selbst zu beschaffen und sie mit dem Land abzurechnen. Dort sind heute schon alle Kitas versorgt.
Was wir zusätzlich als Deutscher Kitaverband für einen Skandal halten: Dass ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen die privatgewerblichen Kita-Träger (Gewerbefreiheit ist nach Art. 12 auch ein Grundrecht…) keine Tests aus einem liberal geführten Ministerium bekommen.
Sieht so liberale Familien-Politik in Regierungsverantwortung aus? Arbeitet so die FDP die SARS-CoV-2-Pandemie auf?
Ich fordere Sie auf:
- Stellen Sie sich einer öffentlichen Diskussion des Krisenmanagements in der Kita-Versorgung vor allem mit den Eltern – und dem Deutschen Kitaverband! (Oder gilt die Aufforderung des FDP-Bundesvorsitzenden, Christian Lindner nicht für FDP-Landesminister?)
- Starten Sie jetzt eine starke Kampagne für mehr Fachkräfte im Kita-Bereich!
- Unterstützen Sie jetzt Eltern und Familien, die Pandemie-Folgen zu überwinden! Dazu liegen unter anderem Vorschläge vor, an denen das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) maßgeblich mitgewirkt hat. Der Deutsche Kitaverband schlägt ein Landesprogramm „Kultur und Sport in die Kitas!“ vor, das im nächsten Kita-Jahr zur Pandemie-Verarbeitung Bewegungs- und Kultur-Aktivitäten in den Kitas – und damit zugleich Kultur-Treibende – unterstützt und zudem die Fachkräfte entlastet.
- Prüfen Sie auf dem Hintergrund der Corona-Erfahrungen die Regelungen unseres KiBiz: Der Deutsche Kitaverband plädiert für die gleichberechtigte Beteiligung von sozialunternehmerischen Kita-Trägern in der Versorgung und für den Qualitäts-Wettbewerb unter den Kita-Trägern.
Als Deutscher Kitaverband und als sozialunternehmerische Kita-Träger sind wir enttäuscht von einer Kita-Politik, die nicht hält, was die Regierungskoalition uns für unser Land versprochen hatte – Aufbruch.
Aber Enttäuschung hilft nicht weiter: Die Mitglieder des Deutschen Kitaverbands engagieren sich jeden Tag für unser Land als Chancenland.
Wir sind überzeugt: Lernen in der Kita ist ein Schlüssel dafür! Und: Kinder sind auch systemrelevant.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Bremen