Kita-Träger: finanzielle Lage spitzt sich zu
Fachkräftemangel weiter grösste Herausforderung
Bundesvorsitzende Waltraud Weegmann: „Wir brauchen dringend positive Signale“
Fachkräftemangel, Corona-Krise, Flutkatastrophe: Den freien Kita-Trägern in Deutschland blieb in den vergangenen beiden Jahren nichts erspart. Und die Unzufriedenheit ist deutlich spürbar. In der jährlichen bundesweiten Umfrage des Deutschen Kitaverbands unter Kita-Expert*innen gaben nur sechs Prozent an, das Kita-System sei sehr gut oder gut gegen weitere Krisen gerüstet. Hinzu kommt, dass die Branche sich nicht genug wertgeschätzt fühlt. Den Stellenwert der frühkindlichen Bildung in der Öffentlichkeit halten die meisten Teilnehmer*innen für gering oder eher gering. Und das Ansehen habe sich im vergangenen Jahr auch nicht verbessert. Bei der Steuerung von Kitas sehen die Teilnehmer*innen die größte Belastung hauptsächlich im immer größeren Zeitaufwand, den die Kita-Verwaltung einnehme.
Die Bundesvorsitzende des Deutschen Kitaverbands, Waltraud Weegmann, ordnet die Ergebnisse ein: „Wir brauchen dringend positive Signale aller Stakeholder im Kita-Bereich, wirkliche Verbesserungen angehen zu wollen: im Personalbereich, in der Finanzierung und bei der Qualitätsentwicklung von Kitas. Wir brauchen Ideen, Innovationen und den Willen für Reformen. Die Politik muss den Mut haben, verkrustete Strukturen und Regelungen anzugehen. Sonst laufen wir Gefahr, wichtige Entwicklungen zu verpassen. Wir dürfen nicht vergessen, dass alle Kinder in Deutschland ein Recht auf eine optimale frühkindliche Bildung haben. Das gebietet die Chancengerechtigkeit.“
Neu: Träger kritisieren Unterfinanzierung der Kitas deutlich
Überhaupt nicht ausreichend oder nicht ausreichend empfinden 53 Prozent der Befragten die Kita-Finanzierung in ihrem Bundesland. Den höchsten Wert weist hier mit 68 Prozent Brandenburg auf. Die finanziellen Eigenanteile, die freie Träger aufbringen müssen, halten 49 Prozent für überhaupt nicht gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt. 16 Prozent enthalten sich hier. Die Ablehnung ist am höchsten in Berlin und Brandenburg.
Die finanzielle Gesamtlage der Kita-Träger bewerten die Fachleute mehrheitlich mittelmäßig (28 Prozent eher schlecht oder 27 Prozent eher gut). 16 Prozent finden sie schlecht und sieben Prozent sehr schlecht.
Um nachhaltig Verbesserungen zu erzielen, muss der Bund dauerhaft in die Finanzierung einsteigen. Die Kita-Expert*innen sind deshalb mehrheitlich der Meinung: das sogenannte Gute-Kita-Gesetz müsse reformiert werden. Als häufigste Gründe für einen Reformbedarf werden genannt, dass die Maßnahmen nicht weit genug gingen und nicht alle Bildungsbereiche intensiv gefördert würden und dass das Gesetz nicht auf Langfristigkeit angelegt sei.
Nicht jede Maßnahme habe Auswirkung auf die Qualität und käme eher den Eltern als den Kindern zugute. Gelder seien in die Beitragsbefreiung der Eltern geflossen – und somit weder in die Kitas noch in die Qualität, so die Kritik der Befragten.
Kitasystem steht und fällt mit Personalausstattung
Die Teilnehmer*innen haben klare Erwartungen an eine neue Bundesregierung: 75 Prozent wünschen sich eine Fachkräfteoffensive und 71 Prozent eine Verbesserung der Finanzsituation. Denn für die Befragten – 87 Prozent nennen das – ist der Fachkräftemangel weiter die größte Herausforderung.
Auch wenn man nach Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung in Kitas fragt, sehen die Befragten den Schlüssel hierzu in der Verbesserung des Fachkraftschlüssels, bei einer höheren Anzahl an qualifizierten Fachkräften und bei der Stärkung der Kita-Leitung.
Befragt nach den geeignetsten Maßnahmen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, sehen die Kita-Expert*innen weiterhin in einer besseren Bezahlung der Fachkräfte die Lösung. Mehr ausbilden und neue Zielgruppen erschließen: Die Teilnehmer*innen setzen auch auf eine bundesweite Einführung der praxisintegrierten Ausbildung, die es in einigen Bundesländern schon gibt und bezahlt ist. Mehr Männer und Quereinsteiger*innen für die Kita zu gewinnen werden außerdem als lohnende Maßnahmen eingestuft.
Gegen Corona gewappnet
Gegen Corona sehen sich die Kitas mittlerweile gewappnet: Die Corona-Krise wird – überraschenderweise – nur von 42 Prozent der Befragten als eine der größten Herausforderung im Kita-Bereich gesehen. Auch beurteilt über die Hälfte der Befragten die aktuellen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz in den Einrichtungen als vollkommen ausreichend oder als ausreichend. Die Impfquote unter Erzieher*innen wird als hoch eingeschätzt. Die häufigsten zusätzlichen Maßnahmen, die sich die Befragten in einer offenen Frage wünschen, sind: Testpflicht bei den Kindern, Luftfiltergeräte und eine Impfpflicht für pädagogisches Personal.
Kein einheitliches Bild ergibt sich bei der Frage nach einer möglichen Corona-Impfung von Kita-Kindern: 12 Prozent machen keine Angabe, 23 Prozent würden dies ablehnen, 27 Prozent sind zögerlich, 38 Prozent würden dies begrüßen.
Die Umfrage
Der Befragungszeitraum der Online-Umfrage erstreckte sich vom 17.8.2021 bis zum 07.09.2021. Insgesamt wurden 433 Fragebögen vollständig ausgefüllt. Die Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet sind Geschäftsführer*innen und Führungskräfte von Kitaträgern sowie Leiter*innen von Kitas. Weiter finden sich unter den Teilnehmer*innen Mitarbeiter*innen verschiedener Fachverbände, Parteien, Interessensgruppen und Wissenschaftler*innen im Bereich der frühkindlichen Bildung.