Anlässlich des bevorstehenden Bildungsprotests am 23. September 2023, der sich auch um die Zukunftsfähigkeit der frühkindlichen Bildung und Betreuung dreht, machen der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) sowie der Deutsche Kitaverband (DKV) gemeinsam auf die aktuelle Lage in der Kindertagesbetreuung aufmerksam. So nachvollziehbar auch die Forderungen der Fachkräfteverbände und Elternvertretungen nach mehr Qualität und einem Ende der Mangelverwaltung sind, sie helfen zum aktuellen Zeitpunkt nicht bei der Bewältigung der Herausforderungen des anhaltenden Fachkräftemangels und der hohen Nachfrage nach Betreuungsplätzen.
NSGB-Präsident Dr. Marco Trips hält fest: „Leider sind die Einschränkung der Betreuungszeiten oder temporäre Schließung von Kindertagesstätten kein Einzelfall mehr. Eltern erwarten zurecht, dass sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können. Damit kommunale und weitere Träger eine Betreuung sicherstellen können, müssen die Rahmenbedingungen verbessert und Standards zumindest zeitweise abgesenkt werden. Das ist die traurige Wahrheit, die niemand in den Mund nehmen will.“
Tim Arndt-Sinner, Landesvorsitzender des Deutschen Kitaverbandes in Niedersachsen, betont: „Die Kita-Träger stehen mit dem Rücken zur Wand. Die Kitas können aufgrund des Fachkräftemangels Personalengpässe nicht mehr ausgleichen. Die Mitarbeitenden arbeiten teilweise schon jetzt an der Belastungsgrenze und schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Wir brauchen sofort mehr Menschen im System Kita. Das kann aktuell bedeuten, einen Schritt zurückzugehen und erst einmal überhaupt die Betreuung sicherzustellen. Zwingend daran anschließen muss dann die Weiterqualifizierung des Personals, um in Richtung qualitativ guter frühkindlicher Bildung weiterzugehen.“
Aus Sicht des NSGB und des Deutschen Kitaverbandes gibt es zahlreiche Stellschrauben für eine sofortige Verbesserung der Betreuungssituation:
1. Anforderungen an Personal und Genehmigungsvorbehalte (temporär) senken
Die Anforderungen insb. an Zweit- und Drittkräfte in Kindertagesstätten sind angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels nicht zu realisieren. Wir brauchen mehr Personal in den Kitas und sollten daher eine Vielzahl an Qualifizierungen für unterschiedliche Arbeiten in den Kitas zulassen. Derartig pragmatische Lösungsansätze dürfen kein Hindernis für eine Betriebserlaubnis sein.
2. Selbstständigkeit der Träger und Einrichtungen fördern
Es braucht weniger Vorgaben, Richtlinien und Erlasse mit kleinteiligen Regelungen für die Betreuung vor Ort. Trägern und Einrichtungen muss mehr Verantwortung und Selbstständigkeit bei der Gestaltung der Kindertagesbetreuung verliehen werden.
3. Sinnvolle und wertschätzende Betreuung etablieren
Kindertagesbetreuung ist Bildung, Betreuung und Erziehung. Angesichts des Fachkräftemangels muss hier priorisiert werden. Es wäre zu vertreten, dass der Bildungsansatz nachmittags und in den Randzeiten durch eine sinnvolle und wertschätzende Betreuung mit Assistenzkräften und nicht-pädagogischem Personal ergänzt wird. Die Sicherstellung der Betreuung über eine 4-Stunden Kernzeit hinaus ist gerade für berufstätige Eltern von größter Bedeutung.
4. Ausbildung von Fachpersonal verstärken
Mittel- und langfristig hilft nur ein Mehr an Erzieher:innen und anderem pädagogischen Fachpersonal. Wir erwarten daher von der Landes- und Bundesebene mehr Anstrengungen und bessere Rahmenbedingungen bei der Ausbildung entsprechenden Personals. Dies kann letztlich nur mit einer vollwertigen dualen Berufsausbildung für Erzieher:innen und guten Rahmenbedingungen für die Weiterqualifizierung von Assistenzkräften und Quereinsteiger:innen gelingen.
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