Qualitativ hochwertige Kinderbetreuung sichern
Der vom Kultusministerium eingebrachte Entwurf zur Neugestaltung des Kitagesetzes greift zu kurz und wird den aktuellen und zukünftigen Anforderungen eines modernen Kitabetriebs nicht gerecht. Eine Verbesserung von Qualitätsstandards oder des Personalschlüssels ist nicht in Sicht. So kann eine qualitativ hochwertige Kinderbetreuung nicht sichergestellt werden – die wichtige frühkindliche Bildung bleibt auf der Strecke.
Der Gesetzentwurf verharrt mit seinen Vorschlägen auf dem Stand von 1999. Die niedersächsische Regierung plant für Kitas und Personal nur das absolut Notwendige und passt die Regelungen für das Land größtenteils nur an existierende Vorgaben des Bundes an.
Das vom Ministerium vorgebrachte Argument, der Entwurf sei realistisch und andere, innovativere Lösungen seien nicht möglich, zeugt nicht von Pragmatismus, sondern von Kapitulation. Kita-Träger, Eltern und Kinder sollen jetzt und in Zukunft für die politischen Versäumnisse der letzten Jahre aufkommen.
Der Deutsche Kitaverband fordert weitreichende Nachbesserungen des Entwurfs:
- Qualitätssicherung und -entwicklung durch stärkere Output-Orientierung voranbringen: Einführung von Zertifizierungen
- Fachkraft-Kind-Schlüssel erhöhen und Dritte Fachkraft gesetzlich verankern
- Maximale Gruppengröße definieren
- Sprachförderbedarf nicht über Zeitkontingente, sondern über zusätzliche Fachkräfte sicherstellen
- Rechtsanspruch auf Inklusion und entsprechende Weiterbildungen für Erzieher*innen
- Freistellungszeiten für Kita-Leitungen und Anspruch auf pädagogische Fachberatung für die Kita-Teams
- Kernzeit ausweiten
- Direkteinsteiger*innen-Programm auf den Weg bringen, um gegen Fachkräftemangel aktiv zu werden
- Umfassendes Finanzierungssystem, DVOs in KitaG verankern
Kita-Betrieb zeitgemäss gestalten
Qualitätsmanagement durch Evaluation und Zertifizierung
Die Qualität der Kinderbetreuung ist für die frühkindliche Bildung entscheidend. Im konkreten Qualitätsmanagement der Kitas gibt es vielerorts noch Nachholbedarf. Wissenschaftlich fundierte und standardisierte Instrumente für die Qualitätsentwicklung können bspw. Elternbefragungen sowie externe Evaluationen und Zertifizierungen sein.
Ziel ist es, die Kita- und Trägerqualität prozesshaft zu verbessern, indem Qualitätsstandards ermittelt und verglichen werden sowie Handlungsbedarfe aufgezeigt werden können. Zertifizierungen sind zudem ein wichtiges Mittel, um die Transparenz für alle Beteiligten zu erhöhen. Die Richtlinien für die Zertifizierungen sollten sich an den Orientierungsplänen, am nationalen Kriterienkatalog sowie an neuen (erziehungs-)wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren.
Externe Evaluation sollte für alle Kitas verpflichtend sein. Die systematische und fachlich begründete Überprüfung und Einschätzung der erreichten Qualität der Kitaarbeit sollte in einem modernen Bildungssystem selbstverständlich sein.
Darüber hinaus sollte sich das Land gegenüber dem Bund für die Wiederaufnahme des Prozesses für ein echtes bundesweites Qualitätsgesetz mit einer Orientierung an der Ergebnisqualität stark machen.
Hohe Qualität der Kinderbetreuung sicherstellen
Zentral für eine gute Qualität in der Kindertagesbetreuung sind der Fachkraft-Kind-Schlüssel und eine angemessene Größe der Gruppen. Die in der Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes angekündigte 2. Stufe zur Verbesserung des Personalschlüssels wird im aktuellen Entwurf nicht mehr erwähnt. Wir brauchen jedoch einen Fachkraft-Kind-Schlüssel mit 1:7 für den Krippen- und 1:10 für den Kindergartenbereich. Dabei ist die gesetzliche Verankerung einer Dritten Fachkraft unbedingt erforderlich.
Die maximale Gruppengröße sollte 12 Kinder in der Krippe und 20 Kinder im Kitabereich nicht überschreiten.
Die Erzieher*innen fördern die Kinder nach individuellen Bedürfnissen. Besonderer Sprachförderbedarf kann daher nicht mit festen Zeitkontingenten umgesetzt werden – dieser Ansatz ist komplett realitätsfern. Es sollte stattdessen das entsprechende Fachpersonal aufgestockt werden und eine konzeptionelle Erörterung der Zielsetzung von Sprachförderung stattfinden.
Inklusion wird in vielen Kitas bereits gelebt – der Gesetzentwurf sollte dem Rechnung tragen. Es braucht daher einerseits den Rechtsanspruch und andererseits konkrete Unterstützung der Pädagog*innen: spezielle Weiterbildungsangebote und eine Berücksichtigung des erhöhten Förderbedarfs von Inklusionskindern bei der Umsetzung des Fachkraft-Kind-Schlüssels.
Arbeitsbedingungen verbessern
Eine gute Kinderbetreuung zeichnet sich nicht nur durch die unmittelbare pädagogische Arbeit mit den Kindern aus. Genauso wichtig ist die konzeptionelle Arbeit von Kita-Träger und -Leitung, Vor- und Nachbereitungszeiten für die Erzieher*innen sowie der professionelle Austausch und Beratung der Fachkräfte.
Im Gesetzentwurf werden Freistellungszeiten für Kita-Leitungen nicht erwähnt. Kita-Leitung umfasst jedoch neben der pädagogischen Arbeit zusätzlich noch Personalführung, konzeptionelle Arbeit, Elternarbeit und allgemeine Managementaufgaben. Dieser Aufgabenumfang ist momentan im Zeitkontingent für Kita-Leitungen nicht abgebildet. Der Deutsche Kitaverband hält daher ein Zeitkontingent für Leitungsaufgaben von 10 Wochenstunden zzgl. 10 Stunden pro Gruppe für angemessen. Ergänzung siehe Direkteinstieg
Der Anspruch auf pädagogische Fachberatung für die Kita-Teams muss stärker verankert werden und es müssen hierfür konkrete Zeitkontingente definiert werden.
Eltern unterstützen
Der Rechtsanspruch mit einer Kernzeit von 4 Stunden pro Tag entspricht nicht dem modernen Verständnis von Kinderbetreuung und ermöglicht den Eltern keine Vereinbarkeit mit der Erwerbsarbeit. Die Kernzeit muss auf 6 Stunden ausgeweitet werden.
Fachkräftekatalog erweitern
Positiv hervorzuheben ist, dass das Land nun endlich den Fachkräftekatalog für das pädagogische Betreuungspersonal erweitern will. Dies ist sicher ein hilfreicher Schritt, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und die Kita-Teams multiprofessioneller aufstellen zu können. Die entsprechend steigenden Personalkosten müssen durch die Aufstockung der Landesmittel abgebildet werden.
Direkteinstieg ermöglichen – Spezialist*innen in Kitas fördern
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und eine für die Kinder spannende Themenbreite abbilden zu können, gibt es zwei Lösungswege: Die Zusatzqualifizierung von pädagogischen Mitarbeiter*innen und den Einsatz von Direkteinsteiger*innen mit für die Kinder und ihren Bildungsweg interessanten Vorerfahrungen.
Ein Großteil der Verwaltungsaufgaben wird von pädagogischen Fachkräften wahrgenommen. In Zeiten des Fachkraftmangels bietet es sich auch hier an, Personal aus anderen Berufen aufzunehmen und die Pädagog*innen für die pädagogische Arbeit in den Kitas einzusetzen.
Das Ziel ist es, die Direkteinsteiger*innen langfristig in die Arbeit in Kindertagesstätten einbinden zu können. Damit dies gelingt, schlägt der Deutsche Kitaverband folgenden Rahmen vor:
- Die interessante Vorerfahrung der Direkteinsteiger*in muss im pädagogischen Konzept der Kita verankert sein.
- In einem Kita-Team können bis zu 10 Prozent der Fachkraftstellen mit Direkteinsteiger*innen besetzt werden.
- Sofortige Anrechnung mit 70 Prozent auf den Fachkräfteschlüssel.
- Verbindliche Qualifizierung im Praxis-Theorie-Mix (50% der PIA-Theoriezeiten) in staatlichen anerkannten freien und öffentlichen Fachschulen.
- Die Anleitung durch eine erfahrene pädagogische Fachkraft.
Finanzierung sichern
Kita-Träger brauchen Planungssicherheit, um eine gleichbleibend hohe Qualität der Kinderbetreuung sicherzustellen, qualifiziertes Personal einzustellen und den Kitaausbau vorantreiben zu können. Daher braucht es auskömmliche Landesmittel für den Kitabetrieb. Zusätzliche Zuwendungen müssen in einem Finanzierungssystem definiert sein und nicht über verschiedenste Durchführungsverordnungen (DVOs) geregelt werden. Bestehende DVOs sollten Eingang in das KitaG finden.
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